Heute bin ich israelischer Premierminister geworden. Ich habe Soldaten aus den palästinensischen Gebieten abgezogen und die Entwicklungshilfe über die UN überwiesen. Palästinenser fragen sich, ob ich ein guter Politiker bin. Zwei Wochen später üben sie ein Selbstmordattentat aus – mit vielen Opfern. Ich ignoriere das. Die Presse lobt mich für die Selbstbeherrschung.
Daraufhin treffe ich mich mit dem palästinensischen Präsidenten und höre ihm zu, was er so auf dem Herzen hat. Danach fühlt er sich entschieden besser. Siedler sind mit mir allerdings unzufrieden und demonstrieren. Ich ignoriere das: Es ist Zeit, Stipendien zu verteilen. Das kommt gut an.
Da ich immer Geld in der Staatskasse habe, passe ich auf, dass ich regelmäßig wirtschaftliche Investitionen und soziale Ausgaben tätige, sowie den Palästinensern unermüdlich helfe. Sie sind stolz und nehmen alles - jedenfalls, wenn es über Vermittler kommt. Langsam gewöhnen sie sich an mich und spielen gerne in den gemeinsamen Orchestern. Meine Armee und Polizei haben offensichtlich ihr eigenes Budget, darum muss ich mir keine Sorgen machen. Wenn ich mich an die Auslandspresse wende, dann rufe ich einmal zum Frieden, einmal zu vermehrtem Druck auf die Palästinenser auf. In Israels Medien stelle ich mich den Palästinensern nur streng gegenüber. Das mögen alle, auch wenn sie mich durchschauen. Wenn sich zu viele Terroranschläge meiner Popularität in den Weg stellen, kann ich mal Militante gezielt bombardieren, sie sind einige Tage lang verdutzt, dann ist es aber gut. Irgendwann erreicht meine Beliebtheit an beiden Seiten der Grenze das Maximum, Züge fahren hin und zurück, die Wirtschaft blüht, der Frieden ist da, mein Friedensnobelpreis liegt abholbereit.
Zur richtigen Abwechslung versuche ich mich auch als palästinensischer Präsident: Hier ist das Betteln bei Investoren angesagt, die Hamas wird ignoriert, und nicht vergessen: Ich muss zur Weltöffentlichkeit über den Frieden reden – und dies so oft wie möglich. Gleich zu Beginn alle militanten Gegner heimtückisch ermorden, die Polizei aufrüsten und mit Israelis gemeinsam patrouillieren lassen. Mich bei der israelischen Regierung jederzeit überschwänglich bedanken, wenn sie etwas schenkt. Der Fatah biete ich an, die Korruption zu bekämpfen, der Hamas – für die Ordnung auf den Straßen zu sorgen. Sie sind entzückt darüber und wollen sich schon nach einigen Monaten selbst entwaffnen. Dann kann man auch die Al-Aksa-Moschee in Ost-Jerusalem für sich beanspruchen und zuerst für Palästinenser öffnen. Jetzt habe ich meine Leute ganz auf meiner Seite. Die Israelis sind davon so beeindruckt, dass sie für mich die Wirtschaft, Erziehung, Gesundheitswesen und noch mehr aufbauen und mir Seehäfen und Grenzbewachung überlassen. In meiner Staatskasse klingelt es wie verrückt. Es bleibt nur noch, die Moschee für den christlichen Tourismus zu öffnen, das bringt die meisten Punkte. Palästinenser und die restliche Welt sind glücklich, mein Friedensnobelpreis ist mir sicher.
So einfach ist es. Das neue, vor Monaten durch die „New York Times“ angekündigte Computerspiel „Peacemaker“ macht’s möglich. Zwei bemerkenswert asymmetrische Wege führen zum Frieden. Ein Spieler als Israeli muss für sich Israelis und Palästinenser gewinnen, als Palästinenser dagegen nur sein Volk und die Weltöffentlichkeit. Israel hat immer Geld, Palästinenser kaum (weder UN noch EU helfen ihnen im Spiel). Israel kann Palästinenser massakrieren, Palästinenser können nicht einmal einen Terroranschlag veranlassen.
Tausende von Spielern jubeln, darunter viele Deutsche: „Ich habe zwei Stunden gebraucht, um auf der höchsten Schwierigkeitsstufe als palästinensischer Präsident das Spiel erfolgreich zu absolvieren. Nie hatte ich eine solch beglückende und befriedigende Spielerfahrung.“
Eigentlich eine gute Idee – vielleicht sind die unverbesserlichen Friedenskämpfer, die keine Ahnung von der Realität haben, für eine Weile beschäftigt? Ich gebe zu, ich spiele mit dem Titel auf eine Story von Mark Twain an. Könnte die Friedensbewegung im Spiel ihr „Spieglein, Spieglein an der Wand“ erkennen? Oder ist das hoffnungslos?
3. März 2007
Wie ich den Frieden spielend herstellte
Ich mochte die Novelle von Mark Twain "How I edited an Agricultural Paper" (Link) schon immer. Als die ersten Meldungen über das PC-Spiel "Peacemaker" mich erreichten, spürte ich, beides trifft sich zusammen. In der Tat! Der Artikel erschien in der "Jüdischen Zeitung" (März 2007).
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1 Kommentar:
Vielleicht ist es aber ganz anders:
Wenn nun der palästinensische Chairman
den Frieden wirklich spielend herstellen
könnte? Warum tut er's nicht?
Vielleicht will er nicht?
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