23. Januar 2008

Zwei Ansprachen

Seit Jahren trifft sich im Bremer Rathaus ein Kreis mit dem wunderbaren Namen "Religionen beten für den Frieden". Ich kommentiere hier weder die Idee noch die Ausführung. Nach der neuesten Veranstaltung dieser Runde, mit vollem Saal, wurde ich gefragt, ob ich meine Ansprachen, die ich dort gehalten habe, veröffentlichen mag. Ich stelle hier die zwei letzten online.

Ansprache am 21.1.2007. Bremen. Obere Rathaushalle. Hebräisch ausgesprochene Stellen bringe ich hier nur in der deutschen Übersetzung, meist von Martin Buber.

Auf den Schönheitswettbewerben und in der Friedensbewegung ist es üblich, sich über den Weltfrieden Gedanken zu machen. Ich möchte bescheidener, mit der Stadt Bremen anfangen. Seit Sommer 2006, als infolge einer kriegerischen Auseinandersetzung im Nahen Osten nicht weniger als vier Demonstrationen durch diese Stadt zogen und dabei nicht ganz gewaltfrei und nicht ganz judenfreundlich sich zeigten, haben wir - durch Medien und Politiker der Stadt - unseren Willen zum Dialog bekundet. Wir haben Vertreter der palästinensischen und libanesichen Gemeinschaften zu einem Gespräch eingeladen. Es geht uns um Frieden in dieser Stadt, hier, wo wir wohnen. Können wir das erreichen?

Papst Benedikt der XVI. hat vor einem Monat geschrieben: "Frieden kann nur dann entstehen, wenn er das gemeinsame Bestreben von Juden, Christen und Muslimen ist, das ausgedrückt wird in einem wahren interreligiösen Dialog und konkreten Gesten der Versöhnung. Alle Gläubigen sind aufgefordert zu zeigen, daß nicht Haß und Gewalt, sondern gegenseitiges Verstehen und friedliche Zusammenarbeit die Tür öffnen werden zu jener Zukunft der Gerechtigkeit und des Friedens, die Gottes Verheißung und Geschenk ist." Der Papst erwähnt hier die drei großen Weltreligionen. Es ist schön, dass das Spektrum der in diesem Saal vertretenen Religionen viel breiter ist. Der Papst fordert zu konkreten Gesten der Versöhnung auf. Die Erfahrung lehrt, es kommt dabei oft dazu, dass man konkrete Gesten von den anderen erwartet. Auch hier würde ich eine andere Intention einbringen - vielleicht möge jeder bei sich selbst anfangen. Wie Rabbiner Mendel sagte: "Wenn Du Deinen Gefährten einen Fehler begehen siehst, dann beschuldige ihn nicht, sondern denk Dir: 'Nach welchen Ausreden würde ich suchen, um mich an seiner Stelle zu rechtfertigen.' Diese Rechtfertigung sollst Du auch für ihn suchen und Dich bemühen, ihn zu entschuldigen. Und so ist die Schrift zu verstehen: "Sei liebend zu deinem Nächsten wie du möchtest, dass der Nächste liebend ist zu dir". Können wir das?

Können wir zu einem Dialog kommen, der als solcher, als die Tatsache eines Dialogs schon von Respekt voreinander zeugt und Frieden bereitet, wie noch eine Rabbinergeschichte zu erzählen vermag? "Einst fuhr Rabbi David mit seinem Schüler Jizchak (...) zu einem Ort, wohin er zu kommen gebeten worden war, um zwischen den beiden Gegnern eines langjährigen Streits Frieden zu stiften. Am Shabbat betete er vor der Lade. Die beiden Gegner waren anwesend. Nach Shabbatausgang hieß er den Wagen zur Rückfahrt anspannen. "Der Rabbi hat doch noch nicht durchgeführt," bemerkte der Schüler, "um wessentwillen er hierhergekommen ist." "Du irrst dich," sagte Rabbi David. "Als ich im Gebet gesprochen hatte:
'Der Frieden in seinen Himmelshöhen stiftet, er stifte den Frieden für uns', da war der Frieden geschlossen." Und so war es in der Tat."


Ansprache am 20.1.2008
Die jüdische Gemeinde schließt sich dieser heutigen Veranstaltung gerne an - aus Respekt und in großer Wertschätzung der jahrzehntelangen Tradition des Bremer Rathauses. Wir danken Herrn Bürgermeister Böhrnsen herzlich dafür, dass auch er sich für diese Tradition einsetzt.

Dazu möchte ich Ihnen eine alte Geschichte vortragen.

In der Stunde, als Mose von dem Ewigen hinabgestiegen war, kam der Widersacher und sagte vor Ihm: „Herr der Welt, wo ist sie, die Weisung?“ [Gemeint ist die Tora.] Der Ewige sprach zu ihm: „Ich habe sie zur Erde gegeben.“ Da ging der Satan zur Erde und fragte sie: „Wo ist sie, die Weisung?“ Sie sagte zu ihm: „Gott kennt ihren Weg.“ Er ging zum Meer, da sagte es zu ihm: „Nirgends bei mir.“ Er ging zum Urwirbel, der sagte zu ihm: „In mir ist sie nicht.“ Man kann Barren nicht für sie geben, ihren Preis nicht in Silber wägen, mit Gold und Glas kann man sie nicht bewerten. Vor alles Lebendigen Augen ist sie verhohlen, noch vor dem Vogel des Himmels versteckt. Die Verlorenheit und der Tod sprachen: „Mit unsern Ohren hörten wir ein Hörensagen von ihr.“

Der Satan kam zurück und sagte vor dem Ewigen: „Herr der Welt, ich habe die ganze Welt durchsucht und habe die Weisung nicht gefunden.“ Der Ewige sprach zu ihm: „Geh zum Sohn Amrams!“ Der Widersacher ging zu Mose und sagte zu ihm: „Wo ist sie, die Weisung, die dir der Ewige gegeben hat?“ Mose antwortete: „Was bin ich denn schon, dass mir der Ewige die Weisung gegeben hätte?“
Der Ewige sprach zu Mose: „Mose, bist du ein Lügner?“ Mose entgegnete: „Herr der Welt, du hast eine verborgene Kostbarkeit, an der du dich alle Tage vergnügst. Ich aber, soll ich es mir selber als Verdienst anrechnen?“ Der Ewige sprach zu Mose: „Da du dich selber so gering gemacht hast, soll sie nach deinem Namen genannt werden.“ Denn es heißt: „Gedenket der Weisung Moses meines Knechts, die ich ihm am Choreb für Israel allsamt entbot, Gesetze und Rechtsgeheiße.“

Abschließen möchte ich mit einer Einladung: "Denn mein Haus ist ein Haus für alle Völker", sagt der Prophet Jesaia. Es steht als Überschrift über dem Portal der Synagoge. Sie sind alle herzlich eingeladen, an unseren Gebeten für Frieden in unserer Synagoge teilzunehmen.

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