In einer Buchvorstellung ordnet Alexandra Albrecht die Dirigenten Furtwängler und Karajan den Filmemachern Harlan und Riefenstahl zu. In ihren Worten: "Es ist immer der gleiche Typus, der nie Verantwortung übernommen hat". Einen Satz davor schreibt sie über Harlan, dass dieser "gar kein Bewußstsein für die eigene Schuld" entwickeln konnte. Ich möchte in diesem Zusammenhang richtigstellen, dass Karajan sehr wohl seine Mitgliedschaft in der Reichsmusikkammer später bedauerte. Zwar nur in überlieferten persönlichen Gesprächen und nicht in Bezug auf seine NSDAP-Mitgliedschaft, aber immerhin. Der eigenwillige Furtwängler erlaubte sich viel mehr, er verteidigte die künstlerische Freiheit (der Fall Hindemith und die personelle Politik sowohl in Bayreuth als auch bei den Berliner Philharmonikern) gegen Goebbels und Konsorten. Seine Zerrisenheit steht im krassen Gegensatz zu Harlan und Riefenstahl, die das Hitler-Regime mit ihrer "Kunst" förderten. Furtwängler verkörperte in den Augen seines Publikums in Nazi-Deutschland die letzte und beinahe einzige Bastion der Treue zu den alten humanistischen Idealen, geschunden und selbstverraten. Das erlaubt nicht, ihn in einem Atemzug mit Harlan und Riefenstahl zu erwähnen. Und noch ein Wort zu dem Begriff "Schuld". Wann lernen wir aus den Lebensgeschichten der großen Künstler und beziehen uns endlich auf unsere Gegenwart, anstatt zwischen Martin Walsers und Daniel Goldhagens überdimensionaler Entschuldigung/Beschuldigung der Vorgenerationen zu pendeln? Wann schweigen wir heute - wann melden wir uns unangepasst zu Wort?
5. September 2012
Ein nicht gedruckter Leserbrief
Am 20.3.2011 ging der Brief an den "Weser Kurier":
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