Seit Anfang des Krieges im Nahen Osten führen einige deutsche Medien ihren eigenen kleinen Kampf. Mit der unausgewogenen Darstellung der Abläufe werden nicht nur Vorurteile bedient, sondern auch eine gezielte Meinungspolitik betrieben. Anstatt über Ereignisse unparteiisch zu berichten, wird überwiegend eine Meinung ausgesprochen. Und wenn sich die angestellten Journalisten schon mehrere Male ausgesprochen haben, dann sortieren sie Leserbriefe bewusst und - als Krönung – suchen und finden „gute Juden“, die dieselbe so genannte „israelkritische“ Meinung der Redaktion bestätigen. Die Balance wird dabei so sehr vernachlässigt, dass sich eine Journalistin bei einem Telefoninterview mit uns erlaubt, anstatt sich auf eine Diskussion einzulassen, die von uns beklagte Einseitigkeit von vornherein zu negieren. Stattdessen legt sie uns ihre Meinung in den Mund und lässt es drucken.
Wie kommt es, dass ein interner Brief einer jüdischen Organisation, nämlich des Zentralrates der Juden in Deutschland, derart begeistert von den Medien zitiert wird? Etwa deshalb, weil er eine Gegenmeinung zu der offiziell ausgesprochenen vertritt? Warum agieren TAZ und „Süddeutsche“ wie Boulevardzeitungen, wenn es um Juden geht? Warum wird immer wieder der Zentralrat der Juden belehrt, was er zu der Lage in Israel und zu den falschen Kommentaren deutscher Politiker zu sagen habe? Hat die eine oder die andere Zeitung nur ein einziges Mal Vertreter der libanesischen oder palästinensischen Vereinigungen nach ihrer kritischen Haltung gegenüber der Hisbollah bzw. der Hamas befragt? Es waren Juden, die diese Zeitungen darauf aufmerksam machen mussten, dass auf den bis dato verschwiegenen Demos bundesweit antisemitische Parolen ausgerufen werden. Die tapferen Journalisten kamen selbst nicht darauf. Sie beschäftigten sich bestimmt viel zu intensiv mit der Suche nach „guten Juden“. Immer wieder wird der eine oder der andere Politiker dafür verteidigt, dass er oder sie Falsches behauptet. Mal werden Hunderte von abgeschossenen Hisbollah-Raketen verschwiegen, um dann naiv zu fragen, wie man wegen zwei entführter Soldaten in den Krieg gehen könne (die getöteten acht Soldaten werden dabei vergessen). Mal platziert man inszenierte Fotos groß auf der ersten Seite, ohne sich dafür später zu entschuldigen. Mal wird die Zahl der zivilen Opfer vierzigmal höher angesetzt und ohne Dementi beibehalten.
Es gibt sowohl ausgewogene Berichte als auch objektiv argumentierende Meinungsbeiträge. Es lässt sich auch dazwischen unterscheiden, wer einseitig und wer unausgewogen schreibt. Die Art allerdings, mit welcher der Brief von Rolf Verleger dieser Tage ausgeschlachtet wird, macht uns Sorgen. Nicht der Brief – und damit die Position eines einzelnen - wird streitbar genannt, sondern die Meinung des Zentralrates. Wird Verleger so ausgiebig zitiert, weil er eine exklusive Minderheit vertritt, oder weil er die Meinung der Redaktion ausspricht?
Wir sind bereit uns zu streiten: Judentum beinhaltet eine ausdrückliche Streitkultur, um damit erst die ethischen Maßstäbe erreichen zu können (Zwei Juden bedeutet: Drei Meinungen :-). Bei der Berichterstattung würden wir aber gerne auch das moralische Augenmaß, das heißt Ausgewogenheit, gewahrt wissen. Es wäre schön, wenn die Medien bereit sind, auch darüber zu diskutieren.
Elvira Noa, Dr. Grigori Pantijelew, Direktoriumsmitglieder des Zentralrates der Juden in Deutschland, Bremen
21. Dezember 2006
Exklusive Minderheit
Im Sommer 2006 hat Rolf Verleger auf sich aufmerksam gemacht. Dazu haben Elvira Noa und ich einen Leserbrief an die TAZ geschickt. Die Zeitung hat den Brief am 16.8.2006 gedruckt, mit einigen bemerkenswerten Kürzungen. Sie sind im folgenden kursiv hervorgehoben:
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen